Erlebnisbericht vom Brandenkopfberglauf

von Archiv

Bericht von Christian Thomas vom Brandenkopfberglauf im Schwarzwald

Mit meiner wieder entfachten Lust auf Wettkämpfe erwachte auch mein altes Faible fürs Bergauflaufen, bin ich doch schon vor 10 Jahren immer gerne auf den Donnersberg raufgekeucht. Und nachdem ich den schlimmsten der Pfälzer Bergläufe, den in Bad Dürkheim, letztes Jahr gar nicht so schlimm fand, ließ ich mich von der erfahrenen 'Bergziege' Torsten Gelfert in dessen Lieblingslaufrevier, den Schwarzwald, locken. Dort sind die Berge höher und die Bergläufe länger..

Da stehen wir dann bei bestem Wetter am Start des Brandenkopfberglaufs in Zell-Unterharmersbach, ich mit dem Respekt, erstmals auf Pfaden zu wandeln, auf denen sich auch schon der siebenmalige Berglauf-Weltmeister Jonathan Wyatt die Ehre gab, während mir Torsten erklärt, wer dieser und jener unscheinbare blasse junge Mann da sei, und welche Titel der denn schon errungen hat. Einer von denen, der weltbeste Treppenläufer und Weltrekordler im Rückwärtslaufen, Thomas Dold, gewinnt den Lauf 42 Minuten später.

Mein Ziel ist bescheidener: Ich will die 10,2 km mit ihren 700 Höhenmetern unter einer Stunde bewältigen. Die Taktik: den ersten flachen Kilometer zackig in 4 Minuten laufen, dann im 6er-Schnitt weiter, und die 2 Minuten 'Vorsprung' bis in den Schlussanstieg retten.

Nach ein paar hundert Metern treffe ich überraschend Adolf Reinhardt, dem ich schnell 'Guten Tag' sage, bevor der am Berg entschwindet. Cool, der FCK ist also in Mannschaftsstärke vor Ort. Adolf, der äußerlich, vom Tempo her, und von seinem lockeren Mundwerk sowieso noch gut in meine Altersklasse passte (M45), wird heute Zweiter in der M65, geschlagen nur vom Ausnahmeläufer Peter Lessing.

Ich liege ganz gut im Rennen, bei km 2 läuft Torsten vorbei, aber nicht aus meinem Sichtfeld heraus. Auf einem flachen Mittelstück lässt sich vorher verlorene Zeit wieder gut machen, während postkartentaugliche Fachwerkhäuser auf weitläufigen Wiesen für Urlaubsflair sorgen und klatschende Zuschauergruppen an den Steilstücken verhindern, dass ich vom Lauf- in den Gehschritt wechsele. Ab und zu, im Wald, wo's keiner sieht, tu' ich's doch.

Bei Kilometer 8 bin ich wieder an Torsten dran, bevor der mir an der letzten, knackigen Rampe zeigt, wer von uns zwei der Bergspezialist ist. Wo bleibt das 9km-Schild nur? Nach 52:20 Minuten steht es endlich da, 7:40 Minuten noch für 1,2 km, das müsste reichen, aber es ist grad verdammt steil hier. Der Blick klebt an den Hacken des Vordermanns, die Schrittchen sind kurz geworden, nur nicht aufblicken jetzt, ich will gar nicht wissen, wie lange der Berg noch ist. Der Kopf verbietet den Beinen die Gehpause. Klatschen die Zuschauer aus Begeisterung oder aus Mitleid?

Nach genau 58 Minuten höre ich in der Ferne die Zielansage, in höchster Atemnot rausgepresste Frage 'Wieweitissnnoch'?, Zuschauerantwort 'noch 400 Meter', das wird eng. Mit letzter Kraft weiter, das könnte doch mal flacher werden hier, und bitte keine Fotos jetzt, endlich, da das Zielbanner, 59:55 Minuten, geschafft und glücklich. Gierige Hände grapschen wortlos nach Banane und Tee.

Der Bus talwärts fährt endlos viele steile Serpentinen bergab, so weit sind wir also hochgelaufen? Der Respekt vor der eigenen Leistung wächst. Die Ergebnisliste sieht dann auch ganz gut aus - alle FCKler im ersten Drittel.

Anschließend werden bei der sehr ansprechenden Siegerehrung in festlich geschmückter Halle in einer Tombola zum 10-jährigen Jubiläum des Laufs Preise verlost, denen man anmerkt, dass das Ländle keine ganz arme Gegend ist: Ein iPod, ein Navi fürs Auto, mehrere Pulsuhren usw. Auch wenn wir dabei leer ausgehen, bleibt uns doch ein schönes Souvenir: Voranmelder erhielten eine der "weltberühmten 'Hahn & Henne' Tassen der Zeller Keramik" (Zitat Ausschreibung) mit ihrem Wunschnamen.

Das Gros der Läufer(innen) hier kommt aus der näheren Umgebung - 'Exoten' wie wir sind die Ausnahme. Erstaunlich, denn der Lauf ist mit seinem professionellen Flair, der tollen Strecke und der perfekten Organisation auch eine weitere Anreise wert. Wir haben es jedenfalls nicht bereut, hin und zurück 400 km unterwegs gewesen zu sein, um 10 km zu laufen.

Schade, im Schwarzwald ist die Berglaufsaison jetzt beendet, aber nächstes Jahr kommen wir wieder, versprochen.

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